>> STORIES | sex work – lock down
Österreich, 2021
Begegnungen mit Menschen aus dem Bereich der Sexarbeit in Zeiten der Pandemie in Österreich.
Gesammelte Fragmente aus einer oft unsichtbar gemachten Welt.
Im Projekt sex work – lock down setze ich mich mit dem Thema Sexarbeit in Zeiten von Corona in Österreich auseinander. Gemeinsam mit meinen Protagonist*innen beschäftige ich mich mit den Herausforderungen der aktuellen Situation und den Strategien, die Menschen in dieser Branche gefunden haben, um durch die Pandemie zu kommen. Sexarbeiter*innen, Betreiber, Kunden, Sozialarbeiter*innen und Aktivist*innen teilen ihre Erfahrungen und geben vielfältige Einblicke in die Thematik. Intime Porträts, Bilder von Orten und Gegenständen, sowie intensiven Interviews vermittelt einen Eindruck einer herausfordernden, von Lock-Downs, Abstandsregeln und Berufsverbot geprägten Zeit, für die körpernaheste aller Tätigkeiten.
Auszüge aus dem Fotobuch:
Nora
„Ich arbeitete in einem Studio, mache Escort und fahre auch 5-6 Wochen im Jahr in ein Laufhaus. Außerdem habe ich eine Firma, studiere an der FH. Mutter bin ich auch, aber die Kinder sind schon älter und helfen im Haushalt mit. Ich liebe meinen Job. Sexarbeit ist auch ein Stück Freiheit! Es gibt mir Unabhängigkeit, finanziell und auch zeitlich. Ich kann mir selbst aussuchen, wen ich wann, wo, wie ficke. Ich könnte mir nicht vorstellen den ganzen Tag im Büro zu sitzen.
Der erste Lockdown war das für viele Frauen ein Schock. Ich hatte Glück, ich bekam die Beihilfen und hatte plötzlich Zeit für die Familie. Ich habe jetzt zwei Hochbeete und einen Hund, den Keller ausgemalt und meinen Garten umgegraben. Es gibt Kolleginnen die in den Lockdowns gearbeitet und sehr gut verdient haben, weil es wenig Angebot gab, die Nachfrage aber da war. Es haben aber auch einige viele tausend Euro Strafen bezahlt und es gab auch andere Probleme. Beispielsweise Kunden, die Frauen erpressten, und meinten: „diese sexuelle Dienstleistung ist jetzt gratis, sonst hol ich die Polizei, denn du bist illegal da!“
Abgesehen vom Berufsverbot gibt es in diesen Zeiten die selben Probleme als zuvor, nur massiver, denn Verbote schränken Rechte ein und vereinfachen es dem Kunden einen in die Opferrolle zu drängen. Da haben die Medien eine Mitverantwortung. Wenn reißerisch kommuniziert wird, es wurden illegale Prostituierte erwischt, klingt das sehr kriminell und vielleicht denkt sich dann einer, die begehen eine Straftat, dann kann ich sie auch begehen. Es ist zwar im Gegensatz zu seinem Handeln nur eine Verwaltungsübertretung und überhaupt nicht mit einer Straftat gleichsetzen, aber in der Berichterstattung klingt das so. Im Endeffekt ist es so, gäbe es keine Kontrollkarte – gäbe es keine illegale Prostitution, das ist einfach. Dann hätt die Polizei aber nichts mehr zu tun und die Boulevardmedien nichts mehr zu schreiben.“
Nora (40), Wien, 11.03.2021
Isabella Lui
„Ich pendle zwischen Tschechien und Wien und arbeite als Erotikmodel, Pornodarstellerin und im Escortbereich. Bis Corona losging arbeitete ich in einem Erotikstudio in Wien. Da ich immer Steuern bezahlt habe, habe ich auch die Corona-Nothilfen erhalten.
Nach dem ersten Lockdown hat mich eine Freundin zur Begleitagentur gebracht, vorher im Studio hatten wir eine fürchterliche Chefin. Immer wenn ihr irgendwas nicht gepasst hat, waren wir Schuld und immer die blöden Huren. Aber woher hat sie alle ihre Sachen, ihre Armani Tasche, ihr Auto und alles? Das haben alles wir eingearbeitet.
Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal und auch für die Männer bist du nur ein Stück Fleisch, es ist ihnen egal, wer du bist. Da arbeitest du dich ab und dann bist du nur die Hure. Beim Escort ist das anders. Da bist du eine Dame, die Kunden respektieren dich, sprechen mit dir. Manchmal macht die Arbeit Spaß manchmal nicht, aber das ist ja in jedem Beruf so. Ich bin eigentlich Modedesignerin. Ich hasse es Röcke zu nähen, Hosen zu nähen liebe ich! Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Verkäuferin im Supermarkt ihr Job Spaß macht.
Durch die Branche bin ich sehr selbstbewusst geworden. Manche Männer wollen diskutieren, aber ich bin kein Hund – bei mir gibt es kein Hin und Her. Du sagst mir nicht, was du zahlen willst. Du sagst mir was du willst und ich sage dir was das kostet. Wenn dir das nicht passt, nicht mein Problem! Man kann gut Geld verdienen und auch gut was ansparen. Wer weiß was morgen kommt, vor allem in Zeiten der Krise. Man muss stark sein, Rumheulen bringt nichts, es kommt nicht plötzlich von irgendwo ein Millionär daher. Ich habe das alles alleine geschafft und muss niemandem dankbar sein dafür.“
Isabella Lui (31), Wien, 14.04.2021
Bernd
„Seit 2015 leite ich die Luna Bar hier in Graz. Ich bin zufällig zu diesem Job gekommen. Ich habe ein Glasauge, normalerweise trage ich auch eine Augenklappe wenn es zu viel schmerzt. Ich war früher in der Versicherungsbranche im Außendienst tätig. Der Vorbesitzer des Lokals war ein Freund von mir und ich habe ihm manchmal ausgeholfen. Eines Abends ist ein Mädchen durchgedreht und hat mir den Stiel eines abgebrochenen Aperolspritz Glas ins Auge gerammt und es mir viergeteilt. Sie war angefressen auf mich, weil ich sie rausgeschmissen hatte. Ich war lange im Krankenstand und fahruntauglich. So habe ich meinen alten Job natürlich verloren. Ich hatte nicht so viele Jobmöglichkeiten durch die Einschränkung, ich dachte mir da bleib ich hier, der Verdienst ist auch nicht schlecht.
Durch Corona bin ich beim Arbeitsamt, aber das ist natürlich nicht vergleichbar, ich lebe ja eigentlich vor allem vom Trinkgeld. Hier arbeiten normalerweise zwischen sieben und vierzehn Mädchen, das ist ein Kommen und Gehen. Sie kommen zu 70% aus Rumänien, ansonsten aus Ungarn, Nigeria und Bulgarien. Es sind fast alle nach Hause gefahren, nur eine Frau wohnt noch oben in der Wohnung, weil ihr Sohn in Graz in die Schule geht. Normalerweise wohnt sie hier mit ihrer Mutter, die kümmert sich dann um das Kind wenn sie arbeitet. Sie kann hier weiterhin kostenfrei wohnen, woher soll sie denn Geld bekommen, sie kann ja nicht arbeiten.
Die die in den Heimatländern sind, schreiben mir immer wieder und fragen nach, wann wir wieder aufmachen und ob ich ihnen einen Vorschuss schicken kann. Die sind verzweifeln und betteln oft um 100 oder 200 Euro. Manchmal schicke ich ihnen was, aber das kann ich ja auch nicht die ganze Zeit machen. Wir haben Glück, denn das Gebäude gehört uns, deshalb müssen wir keine hohe Pacht oder Miete bezahlen. Das werden einige andere Lokale nicht durchhalten. Ich denke wenns noch lange dauert müssen sicher die Hälfte der Lokale in Graz schließen.“
Bernd (57), Graz, 12.03.2021
Noah
„Ich arbeite seit drei Jahren, neben meinem Studium als Sexarbeiterin in verschiedenen Bereichen, vor allem im Escortbereich für Frauen, weil das auch meiner Neigung entspricht. Vorher habe ich noch Studienbeihilfe bekommen, jetzt muss ich komplett davon leben, deshalb habe ich auch männliche Kunden dazu genommen und mir neue Einkunftsmöglichkeiten überlegt. Frauen sind auch in diesen Zeiten vorsichtiger, durch Covid sind mir fast alle weiblichen Kundinnen weggefallen. Der Umzug von Berlin nach Wien hat es auch nicht einfacher gemacht.
Neben erotischen Massagen biete ich auch so Domina- und Roleplay Sachen an. Ich brauchte eine Rolle, die auch für mich cool ist, so ist es zu Mantis gekommen. Ich hab auch das Gefühl, dass in diesen schrägen Zeiten, die Leute mehr auf schräge Sachen stehen. Es ist einem einfach langweilig, man braucht neue Dinge, da ist es dann für viele Leute halt nice so einen Alien Charakter zu haben, der dir den Mund zuhalten und Eier in dir ablegen will.
Wir Sexarbeiter*innen werden immer gefragt ob uns das wirklich Spaß macht und wir das freiwillig tun. Das würde man bei anderen Jobs nicht fragen, vielleicht sollte man das aber öfter tun. Vielleicht sollten wir alle ein bisschen über dieses „gezwungen werden“ nachdenken. Könnte ich meine Grundbedürfnisse anders decken, würde ich es nicht machen, so sehr liebe ich den Job nicht, ich machs schon fürs Geld. Im Kommunismus, wo es keine Lohnarbeit gäbe, würde ich keine Sexarbeit machen.
Ich denke, Sexarbeit hat schon empowernde Elemente, da in der kapitalistischen Gesellschaft, sehr viel von Bildung und dem Reichtum der Eltern abhängt, damit man später einen halbwegs guten Lohn bekommt. Durch Sexarbeit kannst du ungelernt, in wenig Zeit relativ viel Cash machen. Das ist schon so ein Aufstiegsding und gerade für Frauen aus weniger guten Verhältnissen ein Weg um an finanzielle Unabhängigkeit zu gelangen.“
Noah (24), Wien, 13.04.2021
Nicki
„Ich bin 2019 von Tansania nach Österreich gekommen. Eigentlich wollte ich ein freiwilliges soziales Jahr in Deutschland machen, doch wegen Corona wurde es abgesagt. Ich entschied mich als Au Pair bei einer alleinerziehenden Mutter zu arbeiten. Das war fürchterlich, sie und auch die Kinder waren total bösartig und rassistisch. Ich musste 24/7 arbeiten und habe dafür 260 Euro bekommen, das ist eine totale Ausbeutung.
Als ich es nicht mehr aushielt, bin ich über eine Freundin hier nach Wien in die WG gekommen und habe Noah kennengelernt. Als sie mir erzählt hat, dass man Sexarbeit machen kann, ohne tatsächlich Sex mit den Kunden zu haben, konnte ich es gar nicht glauben. Wir hatten letzte Woche unseren ersten gemeinsamen Job mit einem Fußfetischisten. Ich fand es wirklich cool- man muss nur Stinkefüße haben und den Kunden ein bisschen foltern, dafür bekommt man eine Menge Geld. Die Dominaspiele haben mir richtig Spaß gemacht. Ich habe mich stark und mächtig gefühlt: „Du sagst mir nichts, ich habe dich unter Kontrolle!“ Das habe ich genossen. Ich könnte mir momentan nicht vorstellen Sex mit Fremden zu haben und vorzuspielen, dass ich es genieße. Aber jemanden den Fuß in den Mund zu stecken, ist mir total egal.
Vielleicht passt die Arbeit eh gut zu mir, ich bin es gewohnt nur die Fantasie von Männern zu sein. Es ist wirklich schwierig Leute zu finden die mich als Menschen sehen und sich nicht nur für meinen großen sexy afrikanischen Arsch interessieren. Warum nicht Geld dafür verlangen und das was ohnehin passiert zu meinem Vorteil nutzen? Bei dieser Arbeit habe ich das Gefühl die Situation in meine Hand zu nehmen und dafür Geld zu bekommen wofür ich normalerweise nur diskriminiert werde. Ich kann das was mich sonst so entwertet hat, nutzen um das zu erreichen was ich will. Ich bekomme Geld dafür, das macht mich unabhängig, das ist schon empowering.“
Nicki (21), Wien, 26.04.2021
Nadine Johanna
„Seit zehn Jahren, treffe ich mich mit Männern, die das zwischen Mann und Frau suchen, das reizt sehr viele. 95% von ihnen sind hetero – zumindest sagen sie das. Ich identifiziere mich weder als Mann, Frau oder trans, das ist so eine Mischung. Ich bezeichne mich einfach als Transe, das ist so ein Begriff, mit dem jeder etwas anfangen kann. Nadine steht für mich total mit Sex in Verbindung. Meinen Alltag lebe ich als Mann, schon eher feminin, aber in der Masse würde man mich nicht erkennen.
Dass das nicht falsch verstanden wird. Ich bin keine Hure und ich will auch keine Hure sein, ich mache das aus Spaß, ich habe geerbt und brauche es nicht. Die Verbindung zum Thema kommt daher, dass mir Männer die ich treffe häufig Geld anbieten. Ich nehme aber keins an, weil es illegal wäre. Ich sage, ok, du zahlst das Zimmer, man hat Spaß und der nette Nebeneffekt ist vielleicht, dass man dann Videos und Fotos auf Plattformen wie Mydirtyhobby und OnlyFans stellt. Das Geld steht für mich nicht im Vordergrund, ich wollte mich aber letztes Jahr als Sexarbeiterin registrieren, bekam aber dann wegen dem Lockdown beim Gesundheitsamt in Graz keinen Termin. Durch Corona hat sich sehr viel ins Internet verlagert und Prostitution war über Monate gar nicht mehr legal möglich. So kam dann letztendlich die Entscheidung gegen die Anmeldung.
Corona stresst mich nicht. Dieses Virus ist nunmal da, aber die Schutzmaßnahmen funktionieren und ich bin auch schon einmal geimpft, das war mir wichtig. Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass die Männer die ich treffe das stresst, der Sex war da doch wichtiger als Corona. Für junge Menschen ist es ja auch nicht so gefährlich, da sind Geschlechtskrankheiten sicher das größere Thema. Da ist noch überhaupt kein Bewusstsein dafür da, ich biete natürlich nur mit Kondom an. Die Männer wollen immer ohne, aber das sind so Prinzipien, die muss man einfach für sich so durchziehen.“
Nadine Johanna (34), Graz, 24.05.2021
Natasha
„Seit dem letzten Lockdown arbeite ich neben meiner Tätigkeit hier im Laufhaus auch jeden Abend bei Lieferando, fünf Stunden Essen ausliefern mit dem Elektrofahrrad. Ich muss schauen wie das jetzt weitergeht, beide Jobs sind auf Dauer zu viel, außerdem suche ich gerade nach einer Wohnung. Hier ist ja gerade alles total unsicher wegen Corona. Ich habe keine Ahnung ob offen bleibt, wann wieder geschlossen wird.
Ich habe mich nie getraut illegal zu arbeiten weil ich solche Angst vor der Polizei habe, ich habe schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht und viele Mädchen wurden erwischt. Ich bin seit zehn Jahren Sexarbeiterin, seit drei Jahren in Österreich. Im ersten Lockdown bin ich sofort nach Rumänien zu meinem Sohn, der lebt da bei meiner Mutter. Den zweiten Lockdown habe ich hier verbracht. Ich konnte bei einem Kunden wohnen, er hat mir geholfen. Er ist ein guter Mensch, er hat aber Alkoholprobleme und wenn er betrunken ist lädt er alles bei mir ab. Er kauft mir schönen Schmuck, aber wenn er betrunken ist ist er schwierig.
Meine Mutter bekommt keine Pension und meine Schwester hat keine Arbeit. Deshalb muss ich viel arbeiten. Ich habe mich dann entschieden hier her zu kommen weil ich hier einfach besser verdiene und so für meinen Sohn sorgen kann.“
Natasha (38), Salzburg, 20.05.2021
Coco
„In Ungarn habe Kindergartenpädagogin gelernt, eigentlich habe ich einen schönen Beruf. Männer sind gar nicht so anders wie Kinder. Die brauchen auch einfach Aufmerksamkeit, du musst ihnen das Gefühl geben, dass du dich wohl fühlst mit ihnen. Durch die Porno-Drehs bin ich vor ca. sechs Jahren in die Suppe reingekommen, die Produzenten wollten aber soviel Schwachsinn, da habe ich schnell gesagt, nein, das tue ich meinem Körper nicht an.
Über eine Freundin bin ich dann zu Saunaclubs und Striplokale gekommen. Das ist mir viel lieber, da entscheide ich selbst, was ich will und was nicht. Als Corona kam, blieb ich in Deutschland und machte Hausbesuche. Ich habe langfristig verliebte Stammkunden und wenn ich sage, ich brauche jetzt eine Wohnung, dann freuen die sich, dass ich bei denen schlafe. Daneben hatte ich natürlich noch andere Kunden. Drei Monate war ich bei einem, das ist gut gelaufen, der hat mich dafür bezahlt, dass ich bei ihm wohne. Wie viel ich dafür bekommen habe? Genug, schreib einfach: genug. Wir haben das am Anfang, wie Lohn festgelegt und genau vereinbart, dass wir was machen, mal spazieren gehen oder was weiß ich, wenn ich keine anderen Termine habe.
In großen Buchstaben: ICH HABE SPASS AN MEINER ARBEIT! Ich bin so eine. Mit Männern umzugehen, ich bin irgendwie dafür geboren. Viele sagen, boah Sexarbeit, Prostitution, schrecklich. Ich mache den ganzen Schmarrn, weil ich mir seit zwei Jahren ein Haus baue in Ungarn, gleich bei Budapest. Ich mache das nur für meine Zukunft. Wenn ich aufhöre, kann ich sagen: Das habe ich durch meine Arbeit geschafft. Ich selbst.“
Coco (32), Salzburg 19.05.2021
Herbert
„Ich bin LKW Fahrer und komme deshalb viel rum. Wenn möglich, bevorzuge ich es für Sex nicht zu bezahlen. Normalerweise gehe ich zu den verschiedenen Sextreffpunkten. Es gibt viele Plätze wo sich Leute zum ficken treffen, in Parks, an Seen oder an Bahnhöfen. Ich gehe auch gerne auf Swinger-Parties und solche Veranstaltungen, manchmal auch in Massagestudios. Jetzt nach dem Lockdown und wenns warm wird, wird’s sicher richtig losgehen an den ganzen Plätzen, da trifft sich alles. Ich gehe da hin und wenn ich Personen sehe, frage ich vorsichtig und ganz höflich, ob ich mich dazulegen darf. Dann merkt man sofort ob es passt oder nicht.
Meiner Meinung nach bescheißen 80-90% der Leute ihre Ehepartner. Egal ob Mann oder Frau, alle gehen fremd. Die Gesellschaft sollte einfach offener sein. Das ist ja total normal, dass es eintönig wird, wenn man solange zusammen ist. Ich kann nicht sagen wie oft ich ins Puff gehe, wenn sich die Gelegenheit ergibt und sonst gerade nichts anderes möglich ist. Heute Vormittag war ich schon im Pornokino, da kann man auch ficken, privat und unbezahlt, da sind immer wieder Frauen. Leider bin ich aber ohne Testbescheinigung nicht reingekommen. Also kam ich hierher. Aber 100 Euro, wie sie vorher nur fürs Wichsen wollte, ist viel zu viel. Normalerweise bekommst du für 50 Euro alles komplett. Beruflich hat sich für mich durch Corona kaum etwas verändert, aber sonst natürlich alles. Alle Lokale haben zu, es gibt keine Parties und auch an den öffentlichen Plätzen ist jetzt wenig los. Geil bin ich trotzdem.“
Herbert (53), Salzburg, 20.05.2021
Monica Orsini
Aus einem Gespräch mit Monica und einer Kollegin:
Monica: Fast alle meine Stammkunden sind eigentlich homo, aber nicht homo.
Jil: Genau schon wieder diese Doppelmoral. Mir tun ja die Frauen leid von denen, die zu mir kommen.
Ich schlage auch jeden, der über seine Frau meckert.
Ich: Ja aber die kommen auch zu dir, damit sie geschlagen werden.
Jil: Aber ich schlag ihn noch einmal extra, wenn er sagt „Meine Frau ist so schlecht blabla..“ – Ey, halt die Fresse du Wichser, drei Kinder hat sie dir gemacht. Sie putzt sie kocht, sie kümmert sich um alles, was musst du als Frau noch? Putzen, wie ne Hure ficken…
Monica: … sterben.
Jil: Am besten noch Geld verdienen.
Monica: Putzen, kochen, Kinder großziehen.
Monica Orsini, Salzburg, 20.05.2021
Teresa
„Ich habe mit 19 angefangen als Sexarbeiterin zu arbeiten. Davor arbeitete ich in Rumänien in einem Supermarkt, da habe ich 250 Euro im Monat verdient, das reicht nicht mal für Zigaretten. Deshalb bin ich mit meinem Freund nach Italien gezogen, er hatte dort Arbeit, ich war nur zuhause am kochen, eine Hausfrau. Ich machte schlechte Erfahrungen ihm, er war total eifersüchtig. Ich bin nach einem Jahr nach Österreich abgehauen.
Eine Freundin von mir hat in einem Nachtclub gearbeitet und hat mich eingeladen zu kommen. Ich trinke keinen Alkohol, ich mag kein Kokain uns solche Sachen, das ist schwierig im Nachtclub. Deshalb bin ich dann in verschiedene Laufhäuser, blieb überall aber nur kurz. Hier im Vesuv habe ich am meisten Zeit verbracht. Im ersten Lockdown blieb ich hier und habe gemeinsam mit anderen Mädels beim Putzen und Renovieren geholfen – dafür konnten wir gratis hier wohnen. Wir dachten, wir bleiben zwei Wochen, daraus sind fünf Monate geworden, bis wir im Sommer wieder öffnen durften.
Im 2. Lockdown habe ich mir eine Wohnung gemietet und privat als Escort gearbeitet, vor allem mit Stammkunden. Ich habe zwar keine Angst vor der Polizei, aber ich habe ohnehin genug Kunden hier in der Gegend, da brauchte ich keine neuen. Legal wäre mir natürlich lieber, ist einfach stressfreier. Eine Freundin von mir wurde zweimal erwischt beim illegal Arbeiten. Sie hat mit einem Kunden einen Termin vereinbart und der war dann Polizist. Beim ersten Mal hat sie 1.200 Euro bezahlt, beim zweiten Mal 2.000 Euro. Ich habe auch oft Nachrichten von Polizisten erhalten, man kennt dann aber die Nummern, die tauscht man untereinander aus.
Seit heute ist wieder alles normal hier, aber sicher geht es bald wieder von vorne los. Ich möchte ein Haus in Rumänien kaufen, darauf spare ich und dafür arbeite ich. Dann möchte ich meine eigene Bar eröffnen – Ich will Chefin sein!“
Teresa (22), Salzburg, 20.05.2021
Rebeka
Nenn mich Rebeka, ist doch auch ein schöner Name? Ich ändere meinen Namen in jedem Haus. Das Problem ist die Mentalität der meisten Leute, sie erkennen Sexarbeit nicht als normale Arbeit an, deshalb will ich mich nicht zeigen, vielleicht ändert sich das ja mit der Zeit. Aber heute zu sagen: „Ich bin Prostituierte“, kann dir für deine Zukunft viele Probleme machen.
Ich kam 2016 zum ersten Mal nach Deutschland. Ich hatte in Rumänien Mathematik und Informatik studiert. Aber schnell merkte ich, dass ich Geld verdienen möchte und das so nicht kann. Mein Ziel ist es, eine Wohnung und ein Auto zu kaufen, solange werde ich weitermachen, um zu bekommen was ich will. Danach hätte ich gerne einen normalen Job und die Basis, eine Familie zu gründen.
Den gesamten ersten Lockdown war ich in Bonn in einem Haus, wo ich auch gratis wohnen konnte. Die Grenzen waren zu, und ich konnte nicht nach Hause fliegen. Ich habe die ganze Zeit gewartet, wieder arbeiten zu dürfen, aber das hat viel länger gedauert als gedacht. In dem Haus waren viele andere Frauen, da war man nie allein, es war nie langweilig. Wenn ich meine Ruhe wollte, habe ich die Türe zugemacht.
In der zweiten Runde bin ich gleich nach Hause gefahren als zugemacht wurde, weil ich wusste das wird länger dauern. Seitdem war ich in Rumänien, bis jetzt. Gelebt habe ich in der Zeit von meinem Erspartem. Vom deutschen Staat habe ich nichts bekommen, obwohl ich immer legal und angemeldet gearbeitet habe. Ich habe es beantragt, aber nichts bekommen. Ich verstehe bis heute nicht was das Problem war, aber was kann man machen? Ich habe mein eigenes Geld und davon konnte ich leben. Nicht im Luxus aber normal. Mal schauen wie es jetzt weitergeht. Wenn es wieder einen Lockdown gibt, muss ich mich wohl um eine „normale“ Arbeit umschauen. Einen dritten Lockdown könnte ich mir nicht leisten. Aber ich denke, man muss positiv bleiben, nicht traurig sein und nicht zu viel denken. Wer zu viel denkt, macht wenig.
Rebeka (28), Salzburg, 19.05.2021